Der Deutsche Landkreistag bewertet die beabsichtigten Änderungen des Grundgesetzes im Rahmen der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen als falsche Weichenstellung im föderalen Staatsgefüge. Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Hans-Günter Henneke sprach von einer weiteren Schwächung der Länder und der Kommunen: „Die Länder machen sich ohne Not vor dem Bund klein, nehmen sich aus der Pflicht und sorgen zugleich dafür, dass Landkreise, Städte und Gemeinden noch stärker als bislang abhängig von Bundeshilfen werden. Das können wir auf kommunaler Ebene nicht wollen!" Insbesondere seien die Bundeshilfen im Bereich der Bildungsinfrastruktur für finanzschwache Kommunen der falsche Weg, weil sich die Länder auf diese Weise letztlich ein großes Stück weit ihrer Verpflichtung gegenüber den Kommunen entzögen. „Fortan werden viele Kommunen erst recht etwa bei sanierungsbedürftigen Schulen hilfesuchend nach dem Bund rufen. Damit sind am Ende die Länder „fein raus", obgleich es eigentlich in deren Zuständigkeit fällt, Landkreise, Städte und Gemeinden so auszustatten, dass sie die notwendigen Investitionen tätigen können." Auch führten Mischfinanzierungen zu Verantwortungslosigkeiten und zwangläufig zu schädlichen Doppelstrukturen.

Der Referentenentwurf zur Umsetzung der Einigung von Bund und Ländern zur Zukunft der föderalen Finanzbeziehungen vom 15.11.2016 sieht u. a. vor, dass Einflussmöglichkeiten des Bundes auf die Ausgestaltung von Länderprogrammen zur Verwendung von Bundesfinanzhilfen eröffnet werden. „Damit kommt es letztlich zu einer Ausformung kommunaler Aufgaben durch den Bund, was die Landkreise nicht wollen", kritisierte Henneke. Zudem soll die verfassungsrechtliche Grundlage für die Gewährung von Hilfen des Bundes für „gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen" finanzschwacher Gemeinden oder Landkreise im Bereich der Bildungsinfrastruktur geschaffen werden. Bisher sind solche Investitionshilfen mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes grundsätzlich nicht möglich. „Deshalb will der Bund nun für die Sanierung und Modernisierung der schulischen Gebäudeinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen einen Ausnahmetatbestand ins Grundgesetz aufnehmen lassen. Die Frage muss aber erlaubt sein, wo denn genau die über den lokalen Wirkungskreis hinausgehende „gesamtstaatliche Bedeutsamkeit" der Sanierung einer Grundschule oder aber der Schultoilette liegt", monierte Henneke.

Den Ländern sei dabei durchaus bewusst gewesen, dass es sich bei der Kultuspolitik um einen der Kernbereiche ihrer eigenen Zuständigkeit handelt: „Dass der Bund nun auch Sanierungshilfen für baufällige Schulen gewähren können soll, kommt genau genommen einem Offenbarungseid der Länder gleich", verdeutlichte er weiter. Dies könne nicht Sinn und Zweck der beabsichtigten Stärkung der Länder sein, weil diese Finanzmittel letztlich mit einem Gestaltungsverlust (zu) teuer erkauft seien.

Grundsätzlich sei die Ausweitung von Mischfinanzierungen und eine voranschreitende Verantwortungsverwischung im Bundesstaat zu beklagen: „Dem leistet der vorliegende Entwurf sehenden Auges weiteren Vorschub. Das Grundgesetz geht von einer trennscharfen Zuordnung von Aufgaben entweder zum Verwaltungsbereich des Bundes oder zu dem der Länder und Kommunen aus. Dieses rechtsstaatliche Prinzip der klar abgegrenzten Ausführungszuständigkeiten sollten wir nicht nach und nach in sein Gegenteil verkehren und unter Inkaufnahme von Doppelstrukturen im Zuge bundesseitiger Steuerung über Bundesfinanzhilfen aufweichen."

Ähnlich kritisch sieht der Deutsche Landkreistag das Ausmaß der beabsichtigten Schaffung von Bundeskompetenzen bei der Verbesserung der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen. Dazu Henneke: „Ohne Frage ist es gut und richtig, geeignete Dienste von Kommunen, Ländern und Bund in einem bundesweiten Portalverbund zu bündeln und so für die Bürger einfacher zugänglich zu machen. Allerdings darf daraus kein vereinheitlichendes Bundesportal werden, das bestimmt, welche kommunalen Leistungen online anzubieten sind, und mit einheitlich vorgegebenen Anwendungs- und Sicherheitsstandards massive Eingriffe in die Selbstverwaltung der Landkreise, Städte und Gemeinden vornimmt." Die Art und Weise der Aufgabenerfüllung müsse den Kommunen auch weiterhin überlassen bleiben.

Vielmehr müsse es aus kommunaler Sicht darum gehen, die kraftvolle Entfaltung kommunaler Gestaltungsspielräume zu sichern. Daher sei die ebenfalls in Umsetzung befindliche Stärkung der Kommunalfinanzen um jährlich 5 Mrd. € ab 2018 eine richtige Maßnahme: „Wichtig ist in diesem Zusammenhang, im Zuge der Aufstockung des Bundesanteils an den SGB II-Unterkunftskosten sicherzustellen, dass nicht mehr als 49 % der Kosten übernommen werden. Denn sonst würde diese kommunale Aufgabe in Bundesauftragsverwaltung umschlagen, was nicht sachgerecht wäre." Von daher sei nur davor zu warnen, von der im Sommer zwischen Bund und Ländern verabredeten Verteilung abzuweichen und den Bogen bei den Unterkunftskosten zu überspannen. „Folge dessen wäre nämlich dasselbe unerwünschte Ergebnis: Eine Verkleinerung der kommunalen Gestaltungsspielräume in einem Aufgabenbereich, der in die Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte fällt."

Stattdessen, so Henneke abschließend, müsse 1 Mrd. € der zugesagten 5 Mrd. € über die Länder an die Kommunen gegeben werden, „wobei wir selbstverständlich erwarten, dass die Länder diese Milliarde vollständig an die Landkreise, Städte und Gemeinden weiterleiten."


In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Ausgabe vom 27.10.2016) hat DLT-Hauptgeschäftsführer Henneke zudem die Einigung von Bund und Ländern zur Zukunft der föderalen Finanzbeziehungen ausführlich kommentiert.

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