Nach den Zielvorgaben des 1996 in Kraft getretenen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) in Verbindung mit dem Thüringer Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz (ThAbfAG) und dem Landesabfallwirtschaftsplan Thüringen - Teilplan Siedlungsabfälle (LAWPTPSi1) ist von den entsorgungspflichtigen Körperschaften nach Ausschöpfung der Maßnahmen zur Abfallvermeidung und -verwertung die umweltverträgliche Beseitigung der nicht vermeidbaren oder verwertbaren Abfälle zu sichern. Insbesondere wurden durch die Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen (AbfAblV) neue Rahmenbedingungen hinsichtlich einer zukünftigen Abfallentsorgung definiert. Mit dieser Verordnung ist eine Ablagerung von Abfällen auf Deponien ohne vorherige Behandlung nicht mehr möglich. Diese Behandlungspflicht ist seit dem 1.6.2005 verbindlich. Demzufolge standen die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in der Pflicht, die entsprechenden Behandlungskapazitäten vorzuhalten.
Dem 1994 gegründeten Zweckverband für Abfallwirtschaft Südwestthüringen (ZASt) wurde von seinen Verbandsmitgliedern die Aufgabe übertragen, die langfristige und gesetzeskonforme Entsorgung der im räumlichen Wirkungskreis anfallenden Siedlungsabfälle und Abfälle, die wie Siedlungsabfälle entsorgt werden können und vor einer Ablagerung behandelt werden müssen, zu übernehmen und damit die Entsorgungssicherheit der ca. 500.000 Einwohner sowie der Wirtschaft in der Region Südwestthüringen sicherzustellen. Um eine derartige Anlage zu planen, waren umfangreiche vorbereitende Untersuchungen sowohl zur technischen Konzeption als auch zur Standortfindung sowie ein Verfahrensvergleich im Rahmen einer EU-weiten Ausschreibung notwendig. Der für die thermische Restabfallbehandlungsanlage (RABA) gewählte Standort in Zella-Mehlis (siehe Foto) überzeugte schlussendlich durch seine verkehrstechnische Lage sowie das in räumlicher Nähe vorhandene Fernwärmenetz.
Die thermische Behandlung der Restabfallstoffe im Feuerraum ist mit einem Wasser-Dampf-Kreislaufsystem gekoppelt, der die Wärmeenergie aus der Abfallverbrennung zur Stromerzeugung und Fernwärmeauskopplung weiterverwendet. Damit fungiert die RABA Zella-Mehlis neben ihrer Hauptfunktion der Restabfallbehandlung weiterhin als thermische Energieerzeugungsanlage. Die aus dem Feuerraum strömenden Rauchgase geben einen Teil ihrer Wärmeenergie über die Steigrohre eines Naturumlaufkessels an das Speisewasser zur Dampferzeugung ab. Der erzeugte Wasserdampf erhitzt sich dabei auf 380 °C bei einem Frischdampfdruck von 40 bar und wird anschließend einer Entnahme-Kondensationsturbine zur Stromerzeugung bzw. einem weiteren Wärmeübertrager-System zur Fernwärmeauskopplung zugeführt. Auf diese Weise kann die Anlage pro Stunde eine Dampfmenge von bis zu 71 t mit einem Bruttowärmegehalt von 60 MW erzeugen. Die Stromerzeugung findet mit Hilfe einer Entnahme-Kondensationsturbine statt. Der erhitzte Frischdampf wird auf die Schaufelräder der Turbine gelenkt, wo er sich entspannt. Dabei wird die Turbine angetrieben, die wiederum die Rotationsbewegung über eine Welle auf den Generator überträgt. Dieser besitzt eine installierte Maximalleistung von 14 MW und kann nach Abzug des Eigenbedarfs bis zu einer Leistung von 13,7 MW (nur Stromerzeugung) bzw. 8,2 MW (Stromerzeugung bei gleichzeitig maximaler Fernwärmeauskopplung) in das örtliche Stromversorgungsnetz einspeisen. Die RABA koppelt pro Jahr durchschnittlich ca. 65.000 MWh Elektroenergie und ca. 100.000 MWh Fernwärme aus. Dabei ist die Fernwärme ein wichtiger Beitrag zum regionalen Klimaschutz, denn durch die Fernwärmeauskopplung an das Netz der lokalen Stadtwerke Suhl/Zella-Mehlis verringert sich der jährliche Ausstoß von CO2 um rund 50.000 t, was ca. 70.000 One-Way-Flügen nach Mallorca entspricht.
Die Abgasreinigung besteht aus mehreren hocheffizienten Reinigungsstufen, die in ihrem Zusammenwirken eine Reinigung der aus der Verbrennung zugeführten Abgase sicherstellt.
Mit der Abgasreinigung werden die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte der 17. Bundesimmisionsschutzverordnung sicher eingehalten, die am Kamin mit modernster Messtechnik gemessen und dokumentiert werden. Derzeit gibt es (noch) keine Vorgaben zur selektiven Reinigung von CO2.
Mitte des vergangenen Jahrzehnts wurden im ZASt Überlegungen angestellt um einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz und in Richtung nachhaltiger Kreislaufwirtschaft zu gehen. Eines der Ergebnisse dieser Überlegungen war, dass als „Klimakiller“ verschriene Kohlenstoffdioxid (CO2) vollständig neu als „Rohstoff“ zu betrachten. Denn, in Verbindung mit der am Standort geplanten Stabilisierung der Erlöse aus dem volatilen SPOT-Markt-Stromverkauf, erkannte man die Chance der Speicherung (abgeregelter) Energie im flüssigen Methanol. Warum Methanol?
Bekanntermaßen ist Methanol hochgiftig. Weniger bekannt ist, des weltweit eine Produktionskapazität von über 100 Mio. Jahrestonnen aktuell nicht ausreicht, den weltweiten Bedarf dahingehend zu decken.
Betrachtet man allein den Sektor Verkehr hat Methanol den großen Vorteil in der Logistik und vor allem in der Handhabung, z.B. ist eine einfache und schnelle Betankung - wie bisher bekannt und gewohnt - am PKW möglich. Methanol enthält keinen Schwefel, wodurch bei der Verbrennung im Gegensatz zu schwefelhaltigen Kraftstoffen wie Schweröl keine Schwefeloxide (SOx) emittiert werden. Weiterhin sprechen Merkmale wie z.B.:
• saubere (rußfreie) Verbrennung,
• Verbrennung mit Luftüberschuss (mageres Gemisch), was zu geringeren Stickoxidemissionen (NOX) führt, sowie
• biologisch abbaubar (im Fall einer Havarie)
für den Einsatz von Methanol im Sektor Verkehr.
Andere Ansätze, elektrische Energie in Form von chemischer Energie zu speichern, sind ebenfalls nicht neu. Als Sackgasse erweist sich indes die seit Anbeginn der „Energiewende“ andauernde Festlegung auf Wasserstoff als chemischem Energieträger. Zwar besitzt er mit 121 MJ/kg tatsächlich die höchste Energiedichte, dies gilt aber für den drucklosen Zustand, entsprechend einem Volumen von 1 m³ und vergleichbar mit ca. 3 l Superbenzin. Man erkennt nur allzu leicht, dass solche Lösungen im Alltag nicht praxistauglich sein müssen. Denn Kraftstoffe werden nach ihrer volumetrischen Energiedichte beurteilt und nicht nach ihrer gravimetrischen, was auch sinnvoll ist. Jeder, der schon einmal ein Fahrzeug betankt hat, weiß, dass Kraftstoff in Volumeneinheiten abgegeben und abgerechnet wird.
Methanol kann chemisch auf verschiedenen Prozessrouten hergestellt werden. Herkömmlich über ein Synthesegas, neuerdings aber auch durch die Katalyse aus Wasserstoff H2 und CO2. Prinzipiell ist das chemisch betrachtet nichts Neues. Doch mittels Wasserstoffelektrolyse, betrieben durch die an der RABA erzeugte Elektroenergie, steht zusammen mit dem aus dem Rauchgas der RABA abzuscheidenden CO2 eine chemische Prozesstechnologie mit enorm viel Potenzial zur Verfügung.
Auf die zweite Druckseite die Abbildung Methanol_Kreislaufwirtschaft_MSt.png, die nachstehende Zeile über die Abbildung setzen.
Abb. 2: Konzept Methanolherstellung und Nutzungspfade
Neben der Speicherung von Strom im flüssigen Methanol erfolgt weiterhin eine Reduzierung der klimaschädlichen CO2-Emmission und die Koppelprodukte wie z.B. die Wärme auf verschiedenen Temperaturniveaus und die komplette Methanolsynthese bieten spannende anlagentechnische Optimierungspotenziale. Nachhaltiger Ansatz ist, dass gemäß Herkunftsnachweisregister HKN aktuell mindestens 50% des behandelten Restabfalls als biogen klassifiziert sind und somit in der Endkonsequenz auch der Anteil Methanol als erneuerbar einzustufen sein wird.
Dem aktuellen planungstechnischen Ansatz folgend, erfolgt am Standort eine Abscheidung von ca. 10.000 t CO2/a. Damit lassen sich zusammen mit dem selbst erzeugten H2 ca. 7.500 t erneuerbares Methanol erzeugen – bei einem aktuellen SPOT-Marktpreis von ca. 505,-€/t ein möglicherweise spannender Ansatz für ein Geschäftsmodell.
Zusammenfassung
Die thermische Abfallbehandlung im Allgemeinen wird weiterhin – nahezu alternativlos - fester Bestandteil einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft sein. Neben der weitergeführten thermischen Behandlung von z.B. Klärschlämmen oder Biomasse zeigt die aktuelle Pandemiesituation, dass eine thermische Behandlung wirtschaftlich notwendig und unverzichtbar ist, um neben der reinen Volumenreduktion der Abfallströme eine absolut sichere Hygienisierung zu erreichen.
Der Einsatz adäquater Best-Verfügbarer-Technologien (BVT), um dem Stand der Technik zu folgen, begleitet natürlich auch die Abfallwirtschaft. Zero-Emission ist ein Begriff, der auch zukünftig, so die operative Ausrichtung innerhalb der EU, die nationale Abfallwirtschaft beschäftigen wird und muss. Im internationalen Vergleich sind die thermisch bedingten Emissionen der bundesdeutschen thermischen Abfallbehandlungsanlagen wie z.B. SO2, NOx und Hg am Kamin vergleichsweise gering – einzig CO2 wird zwangsweise mit einem Faktor von näherungsweise 0,8 kg CO2/kg Abfall emittiert. Generell ist CO2 als „Sündenbock“ für den anthropogenen Klimawandel identifiziert. Aus Sicht des ZASt bietet CO2 technisches Nutzungspotenzial und sollte vielmehr als Rohstoff deutlich mehr Wertschätzung erfahren.
Durch die technisch-/technologisch geschickte Nutzung des CO2 in einer katalytischen Reaktion mit H2 lässt sich ein erneuerbares Methanol herstellen. Eine wichtige, vielleicht die wichtigste, Stärke von Methanol ist, dass es eben aus CO2 herstellbar ist. Dieses Verfahren, mitunter auch als „technische Photosynthese“ bezeichnet, bietet Potenzial, den CO2-Kreislauf zu schließen und als CO2-Senke zu wirken. Für Methanol generell existiert ein stark diversifizierter Markt, so dass auskömmliche Geschäftsmodelle abbildbar sind.
Erneuerbares Methanol, als Baustein in der Sektorenkopplung, sollte volkswirtschaftlich als nachhaltige und wirtschaftliche Chance für eine unbedingt zu forcierende Unabhängigkeit gegenüber fossilen Rohstoffimporten seitens der Bundespolitik anerkannt werden.
Thomas Müller, Landrat des Landkreises Hildburghausen und Verbandsvorsitzender des Zweckverbands für Abfallwirtschaft Südwestthüringen (ZASt)