Energiewende ist ein großes Wort. Im Großen müssen auch die Rahmenbedingungen vorgegeben und die infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden – im Bund und darüber hinaus. Denn der Klimawandel und seine Folgen sind ein globales Problem und eine weltweite Bedrohung. Doch die Energiewende findet auch im Kleinen statt. Gerade die Landkreise, Städte und Gemeinden sind gemäß dem Motto „Global denken, lokal handeln" bei der Umsetzung von nachhaltigen Projekten beim Energiesparen und Klimaschutz sehr kreativ. Dabei treten sie nicht nur als Netzwerkpartner bei der Umsetzung von Projekten auf, sondern gehen auch bei den eigenen Gebäuden mit gutem Beispiel voran. So wie der Landkreis Mühldorf a. Inn bei der Sanierung des Beruflichen Schulzentrums (BSZ).

Das BSZ bietet Schülern Zukunft – jetzt auch räumlich und technisch auf neuestem Stand

Unter dem Dach des Beruflichen Schulzentrums Mühldorf a. Inn ist die Staatliche Berufsschule II für Kaufmännische Berufe, Bäcker, medizinische und zahnmedizinische Fachangestellte, Berufsintegrationsklassen sowie die Staatliche Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung, für Kinderpflege, für Sozialpflege und Pflege angesiedelt. Es bietet Platz für rund 1.700 Schüler sowie 150 Lehrer. Bereits 2013 wurde mit den Planungen für einen Neubau begonnen, da die Anforderungen der Lehr- und Ausbildungspläne nicht mehr zeitgemäß umzusetzen waren. Ein Teilabbruch war notwendig. Ein Gebäude aus dem Jahr 2001 blieb erhalten und wurde in das neue Gesamtkonzept integriert. Dieser Abschnitt wurde zum zentralen Mittelpunkt mit Haupteingang sowie großzügigem Eingangshof und damit verbindender Knotenpunkt zwischen alt und neu. In sechsjähriger Bauzeit wurden bei laufendem Schulbetrieb getrennt nacheinander drei Gebäudeteile errichtet. Der gesamte Gebäudekomplex umfasst rund 35 Klassenzimmer und die dazugehörigen Fach-, Gruppen- und Mehrzweckräume u.a. mit einer Großküche und zwei weiteren Küchen, zwei Speiseräumen, Bäckerei, Mensa und Labore für die medizinischen Fachangestellten.

In speziellen Fachräumen können pflegerische Tätigkeiten auf einer Intensivstation simuliert werden. Gerade im Hinblick auf den hohen Bedarf an Fachkräften in der Pflege ist eine entsprechende Ausstattung der Lehrräume zukunftsweisend. Darüber hinaus wurde eine Zweifach-Sport- bzw. Mehrzweckhalle mit Bühne gebaut. Neben dem Sportunterricht wird die Halle für Prüfungen und Veranstaltungen genutzt. Zur Entlastung der Parkplatzsituation wurde die Turnhalle komplett mit einer Tiefgarage unterkellert.

44 Mio.-Projekt abgeschlossen

Mit der Fertigstellung der Außenanlagen sind die Bauarbeiten am Beruflichen Schulzentrum nun endgültig abgeschlossen. Und damit auch ein Großprojekt des Landkreises Mühldorf a. Inn mit einem Kostenvolumen von insgesamt rund 44 Mio. €. Gefördert wurde die Maßnahme mit 12,6 Mio. € von der Regierung von Oberbayern und rund 1 Mio. € vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung aus dem Programm „Bildungsbauten im Effizienzhaus Plus-Standard“. Vor Kurzem fand die offizielle Einweihungsfeier statt. Für Max Heimerl war der Festakt quasi ein Heimspiel. Denn bis zu seinem Amtsantritt als Landrat im Jahr 2020 war er Schulleiter am Beruflichen Schulzentrum. Er hat das gesamte Bauprojekt begleitet und das Raumkonzept zusammen mit seinen Kollegen entwickelt. Nun durfte er seine alte Wirkungsstätte in neuer Funktion seiner Bestimmung übergeben. Während der Feier in der neuen Mehrzweckhalle wurde in den Reden und Grußworten auch das innovative Gesamtkonzept hervorgehoben. Das Berufliche Schulzentrum überzeugt nicht nur durch seine moderne Architektur und den zeitgemäßen räumlichen und digitalen Standards, sondern auch durch ein ausgeklügeltes Energiekonzept.

Nachhaltig und zukunftsweisend - Gebäudekomplex ist energieautark

Der Gebäudekomplex wurde als Energieeffizienzhaus im Plusstandard errichtet. Es wird mehr Energie erzeugt, als im Betrieb verbraucht wird. Der Überschuss in Form von Strom wird in das Netz eingespeist. Die Architekten Johann Schmuck und Josef Anglhuber bewiesen Weitblick, indem sie von Beginn an die Entwicklung eines ökologischen Gesamtkonzepts im Auge hatten: „Unser Ziel war es, Ökologie, Ökonomie und Gestaltung in Einklang zu bringen", so Architekt Johann Schmuck. Herzstück des Systems ist ein sog. Eisspeicher. Dabei handelt es sich um einen Betonspeicher mit einem Durchmesser von rund 10 m und 5 m Tiefe, der sich unter dem Parkplatz in der Erde befindet. Die auf den Dachflächen installierte Photovoltaikanlage sorgt für den notwendigen Strom. Die Heizleistung wird durch Solar-Luft-Kollektoren auf dem Dach ebenfalls selbst erzeugt. Dabei entsteht so viel zusätzliche Energie, dass diese durch die spezielle Form der Speicherung unter der Erde auch im Winter genutzt werden kann. Die Wärme aus Mensa und Bäckerei wird ebenfalls abgeleitet und dem System zugeführt.

DSC05270

Der sog. Eisspeicher, ein Betonspeicher, befindet sich unter dem Parkplatz der Schule. Das Innenleben: einige Kilometer Kunststoffschläuche, in denen sich Flüssigkeit befindet (Foto: Landkreis Mühldorf a. Inn).

In der warmen Jahreszeit wird die gewonnene Sonnenenergie über die Solarabsorber an das Wasservolumen im Eisspeicher übertragen und durch die umgebene Erdwärme über längere Zeit und ohne aufwändige Isolierung gespeichert. In der kalten Jahreszeit dagegen entzieht die Wärmepumpe dem Eisspeicher die Wärme und führt sie dem Heizsystem zu. Das System fußt auf einem Kreislauf zwischen Dach und dem unter der Erde liegenden Eisspeicher. „Konkret handelt es sich um einige Kilometer schwarzer Kunststoffschläuche mit einer Art Kühlflüssigkeit. Über einen Wärmetauscher wird die Energie entzogen. Die Flüssigkeit wird zu Eis. Dadurch lässt sich genauso wie beim Aufheizen Energie entziehen," erklärt Josef Anglhuber die physikalischen Details. Im Sommer wird der Eisklotz durch die Wärme vom Dach wieder aufgetaut. Während im Winter über die Fußbodenheizung geheizt wird, wird im Gegenzug das gleiche System im Sommer als Kühlfläche genutzt.

High-Tech Haustechnik – Wissenschaftliche Begleitung durch TH Rosenheim

Ein weiterer zentraler Baustein ist die Lüftungsanlage. Die Klassen-, Fach- und Verwaltungsräume wurden mit dezentralen CO2-gesteuerten Lüftungsgeräten ausgestattet. Zentrale Orte wie Speisesaal, Küchen und Flure werden mit zentralen Lüftungsgeräten belüftet. Keine der Anlagen arbeitet mit Umluft, Aerosole werden immer direkt abgeführt. Zusätzlich messen alle Lüftungsgeräte den CO2-Gehalt und führen bei Bedarf Frischluft zu.

In der Sporthalle wurde zudem eine Hygienelüftung programmiert. Wenn eine Sportgruppe eine zusätzliche Durchlüftung wünscht, geschieht dies auf Knopfdruck. Ein effektiver Sonnenschutz und eine komplett tageslichtgesteuerte LED-Beleuchtung halten den Energieverbrauch sehr niedrig. Alle Räume sind mit modernen Datenleitungen erschlossen und im Netzwerk miteinander verbunden. Die WLAN-Versorgung wird in allen Räumen und Fluren mit Accesspoints in den Decken und Mediensäulen sichergestellt.

Der gesamte Gebäudekomplex ist voller Sensoren. Alle Vorgänge werden überwacht und gemessen. So kann bspw. festgestellt werden, ob ein Fenster offen oder geschlossen ist. Wird ein Fenster geöffnet, schaltet sich die Lüftung aus. Auf diese Weise geht keine zusätzliche Energie verloren. Der Haustechnik kommt eine entscheidende Rolle zu. Durch die permanenten Messungen kann so bei Bedarf nachjustiert werden.

Diese Maßnahmen werden durch die Technische Hochschule Rosenheim durch ein Monitoring begleitet. Die Erkenntnisse daraus sind eine große Chance, um künftig wirtschaftlich sinnvolle Gebäude zu bauen. Die moderne Lüftungsanlage hat einen weiteren Vorteil, der bei der Planung noch gar nicht absehbar war. „Gerade in der Corona-Pandemie sind wir sehr froh über die Lüftungssysteme in den Klassenzimmern. Innerhalb einer Stunde findet ein kompletter Luftaustausch statt, das gibt uns ein sicheres Gefühl", so Schulleiterin Cornelia Taube.

Das Gebäude an sich weist eine hohe Kompaktheit und einen ausgewogenen Fensterflächenanteil auf. Die massiven Außenwände sind mit einer 24 cm dicken Wärmedämmung versehen, die mit einer hinterlüfteten Fassade verkleidet wurde. Alle Wärmebrücken wurden berechnet und optimiert. Die Fenster sind aus Holz-Aluminium mit einer 3-fach-Wärmeschutzverglasung und einem automatisch geregelten Sonnenschutz ausgestattet.

Das Gebäude wurde aus Stahlbeton gefertigt. Aufgrund der Flussnähe zum Inn und der Lage im Überflutungsgebiet wurde es bis zur Fensterbrüstung der Untergeschosse im wasserundurchlässigen Beton ausgeführt. Die inneren Trennwände wurden in Leichtbauweise ausgeführt. Bei künftigen Umbaumaßnahmen können so Grundrisse flexibler angepasst werden, wodurch auch eine nachhaltige lange Nutzung der Räume unterstützt wird. Bei der Planung der Innenausstattung wurden Lehrkräfte und Schüler der jeweiligen Fachbereiche eingebunden, damit die Fachräume möglichst praxisnah ausgestattet werden konnten.

Von dem innovativen Gesamt- und Energiekonzept sind nicht nur die Nutzer überzeugt. Der Ergänzungsbau des BSZ der Architektengemeinschaft Schmuck-Anglhuber erhielt den Bundespreis Umwelt und Bauen in der Kategorie Nichtwohngebäude. Der Preis wurde vom Bundesumweltministerium und dem Umweltbundesamt verliehen. Neben dem Energiekonzept nannte das Preisgericht in seiner Beurteilung als weitere Gesichtspunkte die Verwendung von nachhaltigen Materialien und recycelten Baustoffen.

Wörtlich heißt es in der Veröffentlichung des Bundespreises: „Das Berufskolleg verbindet einen schlichten, stringenten Gebäudeentwurf mit innovativer Haustechnik, zeitgemäßem Design und robustem Materialkonzept." Landrat Max Heimerl freut sich, dass mit dem Neubau ein Vorzeigeprojekt entstanden ist: „Als zertifizierte digitale Bildungsregion liegt uns im Landkreis Mühldorf a. Inn nicht nur ein breit gefächertes Bildungsangebot am Herzen. Mit dem neuen Gebäude und der Ausstattung sind wir auch für aktuelle Entwicklungen wie Digitalisierung und neue Lernformen gerüstet. Die Investition in Nachhaltigkeit, zukunftsweisende Techniken und Bildung lohnt sich. Denn die qualitativ hochwertige Ausbildung unserer jungen Menschen ist unser wichtigstes Kapital."

Karin Huber, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Landkreis Mühldorf a. Inn

 

Der kommunale Spitzenverband der 294 Landkreise

Der Deutsche Landkreistag (DLT) vertritt drei Viertel der kommunalen Aufgabenträger, rund 96 % der Fläche und mit 57 Mio. Einwohnern 68 % der Bevölkerung Deutschlands.

Deutscher Landkreistag

Ulrich-von-Hassell-Haus
Lennéstraße 11
10785 Berlin
030 590097-309
info@landkreistag.de

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.