Bereits 2023 verzeichneten die Landkreise mit -1,87 Mrd. € das historisch zweitschlechteste Ergebnis. Lediglich 2005 (-1,95 Mrd. €) fielen die Abschlüsse der Kreishaushalte noch negativer aus. 2024 hat nun die Lage der Kreisfinanzen bei einem Rekorddefizit von -5,84 Mrd. € einen absoluten Tiefpunkt erreicht. Das Defizit fiel damit mehr als doppelt so hoch aus erwartet. Gegenüber dem Vorjahr verschlechterte sich die Finanzlage der Landkreise deutlich um -4 Mrd. €. Für das Jahr 2025 droht den Landkreisen ein weiterer Anstieg des Rekorddefizits auf -6,7 Mrd. € (Tabelle
). Treiber sind weiterhin die laufenden Ausgaben, die in allen großen Aggregaten – Personalausgaben, laufender Sachaufwand und soziale Leistungen – weiterhin dynamisch zunehmen. Es steht zu befürchten, dass auch in den darauffolgenden Jahren die Kreishaushalte ähnlich oder höher dimensionierte Defizite aufweisen werden. Das Defizit ist nur infolge eines deutlichen Zurückfahrens der Sachinvestitionen um -14,3 % möglich und würde ohne dies deutlich höher liegen.
Bundesweit haben 2025 85,4 % der Landkreise (= 251 von 294 Landkreise) Probleme mit dem Haushaltsausgleich (Karte
). Die Rücklagen sind nach ihrer erneuten Inanspruchnahme in einer Größenordnung von3 Mrd. € nahezu vollständig aufgezehrt, so dass die Anzahl der unausgeglichenen Kreishaushalte in den kommenden Jahren ebenso wie der Druck auf eine höchstmögliche Anspannung der Kreisumlage zunehmen wird. Ohne Stopp des Ausgabewachstums und einer Stärkung der kommunalen Einnahmebasis droht den Landkreishaushalten der Sturz ins Bodenlose.
Das Infrastruktursondervermögen ändert an der Defizitsituation nichts und wird bei möglicherweise notwendigen Eigenanteilen sogar zu einer weiteren Ergebnisverschlechterung führen. Es ist zu erwarten, dass das Sondervermögen, das im Übrigen auch erst ab 2026 sichtbare Wirkung entfalten wird, auch lediglich dazu führen wird, dass der Rückgang der Sachinvestitionsausgaben allenfalls abgebremst, nicht jedoch umgekehrt wird. Seitens der kommunalen Spitzenverbände ist seit Jahren auf die strukturelle Schieflage der Kommunalfinanzen, die fehlende Widerstandsfähigkeit der kommunalen Haushalte sowie und den dringenden Handlungsbedarf hingewiesen worden. Die Landkreise stehen dabei aufgrund der Ausgabeentwicklung einerseits und der höchstrichterlich ausgeformten Grenzen der Kreisumlageerhebung andererseits unter besonderem Druck.
Die Länder müssen ihrer Aufgabe nachkommen, eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Städte, Landkreise und Gemeinden sicherzustellen und eine Nachsteuerung der kommunalen Finanzausgleiche vornehmen. Auch der Bund, der als Gesetzgeber für einen Großteil der Belastungen der Kommunen federführend verantwortlich ist, steht in Verantwortung, nun zügig seinen Lösungsbeitrag zur kommunalen Finanzkrise zu leisten. Es wird erwartet, dass er kurzfristig als Sofortmaßnahme die kommunalen Einnahmen durch einen signifikant höheren Anteil an der Umsatzsteuer dauerhaft stärkt. Zu fordern ist eine Verdreifachung des kommunalen Anteils an der Umsatzsteuer auf 6 v.H. Der Umsatzsteueranteil ist zu zwei Dritteln künftig nach Einwohnern verteilen. Will man konsequent sein, müssten dabei die kommunalen Soziallastenträger, d.h. die Landkreise und kreisfreien Städte, Steuergläubiger werden.
Auf der Einnahmeseite bilden die Zuweisungen der Länder und die von den kreisangehörigen Gemeinden erhobene Kreisumlage die Haupteinnahmequellen der Landkreise (Abbildung
). Im Zentrum der Zuweisungen stehen neben den Bundesbeteiligungen an den Kosten der Unterkunft und an der Grundsicherung im Alter vor allem die kommunalen Finanzausgleiche der Länder (Abbildungen zu den KFAs der einzelnen Länder
). Die Zuweisungen an die Landkreise nahmen 2024 insgesamt bundesweit um 6,1 % zu. Dabei nahmen die laufenden Zuweisungen um 6,6 % zu, während sich die investiven Zuweisungen um -3,4 % verringerten.
Für 2025 ist zu erwarten, dass die Zuweisungen an die Landkreise insgesamt nur noch um 2,9 % zunehmen (Volumen KFA
). Dabei wachsen die laufenden Zuweisungen um 3,3 % auf, während die investiven Zuweisungen u.a. abermals um -3,5 % zurückgehen. Der Zuwachs bei den laufenden Zuweisungen liegt damit weiterhin deutlich unter dem mit dem Zuwachs der laufenden Ausgaben und hält vor allem nicht mit der hohen Ausgabedynamik im Sozialbereich Schritt.
Auf der Einnahmeseite ist die Kreisumlage das einzige nennenswert gestaltbare Einnahmeinstrument der Landkreise. Dabei sind materiell der Kreisumlageerhebung Grenzen gesetzt. Die Landkreise sind einerseits gehalten, auch bei Defiziten auf der gemeindlichen Ebene die Kreisumlagesätze höchstmöglich anzuspannen, um so nah wie möglich an den haushaltsrechtlich gebotenen Haushaltsausgleich zu gelangen. Andererseits ist ihnen verfassungsunmittelbar aus Art. 28 Abs. 2 GG eine absolute Grenze bei der Anspannung der Kreisumlage gesetzt, wenn mehr als ein Viertel der kreisangehörigen Gemeinden dauerhaft und strukturell nicht in der Lage, ihr Recht auf eine eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen. Damit ist gerade in finanziell angespannten Zeiten die Kreisumlage als Ventil der Finanznot nur bedingt oder überhaupt nicht nutzbar.
In den Jahren 2012-2022 hatte sich im Gefolge der nach der Wirtschafts- und Finanzkrise bis 2020 aufwachsenden kommunalen Steuereinnahmen auch die Kreisumlage gut entwickelt. Die Kreisumlagehebesätze hatten sich relativ moderat entwickelt und es konnten in einem größeren Umfang die Kreisumlagehebesätze gemindert werden. Seit 2023 ist eine Trendwende festzustellen. In 2024 mussten wiederum in 176 Landkreisen – dies entspricht 59,9 % aller Landkreise –die Kreisumlagehebesätze erhöht werden. In 81 Landkreisen, d.h. in 27,6 % der Landkreise, der Vorjahreshebesatz bestehen. Nur in 37 Landkreisen (= 12,6 %) war eine weitere Senkung der Kreisumlagehebesätze möglich. Im aktuellen Jahr 2025 wird in insgesamt 32 Landkreisen (= 10,9 %) der Hebesatz trotz der angespannten Situation gesenkt. In weiteren 55 (= 18,7 %) bleibt er auf dem Vorjahresniveau. In 207 Landkreisen bzw. 70,4 % der Landkreise muss demgegenüber aufgrund der hohen Ausgabeanforderungen der Kreisumlagesatz erhöht werden (Karte
). Das Kreisumlageaufkommen 2025 wird voraussichtlich um 7,8 % steigen. Dies ist eine deutliche höhere Zunahme als bei den Kreisumlagegrundlagen und ist den notwendigen Hebesatzsteigerungen geschuldet. Die Kreisfinanzen stehen weiterhin v.a. ausgabeseitig unter Druck. Hierbei wird die Situation vor allem von den Ausgaben der Landkreise für soziale Leistungen dominiert, da in nahezu allen kommunalrelevanten sozialen Leistungsbereichen die Hauptausgabelast den Landkreisen zukommt (Abbildung
). Insgesamt tragen die Landkreise nach der Kassenstatistik 2024 einen Anteil an den gesamten kommunalen Ausgaben für soziale Leistungen von 47,5 % (Vorjahr: 47,2 %).
Im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende, wo die Landkreise 56,3 % der kommunalen Ausgaben zum SGB II (ohne Option) tragen, haben sich die Kosten der Unterkunft seit Mai 2022 geradezu explosionsartig erhöht und vollziehen seit Februar 2024 auf dem erhöhten Niveau eine seitwärts gerichtet Bewegung (die Zahl der Leistungsberechtigten weisen demgegenüber am aktuellen Rand eine sinkende Tendenz auf). Die Schere zwischen Anzahl der Leistungsberechtigten und Höhe der Kosten der Unterkunft ist weit aufgegangen (Abbildung
).
Wie erwartet haben im Asylbereich die Antragszahlen 2024 zwar deutlich abgenommen. Sie liegen aber immer noch auf dem vierthöchsten Stand. Lediglich 2015 und 2016 sowie 2023 lagen die Zahlen höher. Die Ausgaben für Leistungen nach dem AsylbLG haben zudem weiter um +6,6 % zugenommen und lagen damit auf dem zweithöchsten Niveau. Lediglich 2016 (9,416 Mrd. €) lagen sie höher. Etwas mehr als 60 % dieser Leistungen wurden von den Kommunen gewährt. Der kommunalen Kassenstatistik für 2024 ist zu entnehmen, dass die Kommunen für Leistungen nach dem AsylbLG 3,744 Mrd. € aufwenden mussten – dies entspricht einer Erhöhung gegenüber dem Vorjahr um +3,2 %. Deutlich mehr als die Hälfte (2024: 58,3 %) der kommunalen Ausgaben fällt bei den Landkreisen an. Bei ihnen erhöhten sich die Ausgaben um +3,8 %, während sie in den kreisfreien Städten (-2,9 %) rückläufig waren. Die größten Sorgen bereiten indes die Ausgabezuwächse bei der Eingliederungshilfe (+13,6 %), der Kinder- und Jugendhilfe (+17,1 %) sowie der Hilfe zur Pflege (+16,4 %). Hier muss die hohe Ausgabedynamik gebrochen werden.
Im Personalbereich bedeutete bereits der Tarifabschluss vom 22.4.2023 sowie die zumeist wirkungsgleich vorgenommenen Anpassungen in der Beamtenbesoldung an den Tarifabschluss der Länder eine große finanzielle Herausforderung. Der Tarifabschluss 2025 steht dem leider nicht nach. 2024 nahmen die Personalausgaben unter Einschluss des Tarifergebnisses, der Besoldungsanpassungen und Personalveränderungen um hohe 9,7 % zu. Für 2025 ist unter Einschluss des neuen Tarifergebnisses und der Besoldungsanpassungen sowie der aus den Haushaltsplanungen der Landkreise erkennbaren personalwirtschaftlichen Maßnahmen mit einem weiteren Aufwuchs der Ausgabebelastungen im Personalbereich um +6,9 % zu rechnen.
Bei den Ausgaben zum laufenden Sachaufwand hat die allgemeine und insbesondere die Energiepreisentwicklung deutliche Spuren hinterlassen. In der zweiten Jahreshälfte 2022 hatten sich die Preise zwar wieder deutlich vermindert – sind allerdings seitdem auf ein deutlich höheres Niveau als vor der Krise. Besonderes Augenmerk muss zudem auf die Entwicklungen im Krankenhausbereich und der entsprechenden Zuschussbedarfe und Defizitausgleiche gerichtet werden. Insgesamt nahmen die Ausgaben der Landkreis 2024 um +8,6 % zu. Für 2025 lassen die Haushaltsplanungen der Landkreise erwarten, dass die Ausgaben für den laufenden Sachaufwand in den Landkreisen um +6,7 % zunehmen werden.
Im Bereich der Investitionen ist die kommunale Ebene weiterhin die einzige Ebene, die seit 2003 durchgängig negative Nettoinvestitionen, d.h. einen Vermögensverzehr zu verzeichnen hat (Abbildung
). In der aktuellen Phase des Abschwungs und dem Eintauchen der Landkreise in die Defizitzone zeigt sich deutlich ein Parallellauf von Investitions- und Einnahmeentwicklung, der sich angesichts der hohen Finanzierungsdefizite und der entsprechend fehlenden Mittel zur Eigenfinanzierung in den kommenden Jahren noch massiv nach unten verstärken wird. Das KfW-Kommunalpanel 2025 zeigt, dass bereits jetzt in mehr als der Hälfte der Kommunen eigentlich notwendige Projekte aufgrund fehlender Eigenmittel nicht durchgeführt werden. Mit Stand 2024 zeigt es für die Kreishaushalte einen Investitionsstau von 35,5 Mrd. €
, von dem der größte Anteil auf den Bereich der Schulen entfällt, gefolgt von der Straßen- und Verkehrsinfrastruktur sowie den öffentlichen Verwaltungsgebäuden. Für 2025 ist angesichts der eingetrübten Finanzlage mit einer deutlichen Verschlechterung zu rechnen, da die Investitionsausgaben der Landkreise massiv in den Keller gehen. Es ist mit um -14,3 % deutlich sinkender Sachinvestitionstätigkeit der Landkreise zu rechnen, wobei die Bauausgaben um -13,6 % etwas schwächer als der Zuwachs beim Erwerb von Sachvermögen -15,9 %) zurückgehen.
Die Abbildungs- bzw. Tabellennummern orientieren sich an der Darstellung im Kreisfinanzbericht 2024/2025 (erschienen als Oktober-Ausgabe 2025 von „Der Landkreis“).