Der Deutsche Landkreistag betrachtet den Koalitionsvertrag von SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP mit gemischten Gefühlen. Präsident Landrat Reinhard Sager hob positiv hervor, dass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse weiterhin im Fokus bleibt und die drängenden Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung unter Einbeziehung der Landkreise, Städte und Gemeinden angegangen werden sollen. „Die Parteien haben sich ambitionierte Ziele gesetzt, die wir in den Einzelmaßnahmen in vielen Teilen unterstützen. Generell leidet das Vertragswerk aber darunter, dass statt einer Kräftigung kommunaler Selbstgestaltung und finanziellen Stärkung der Kommunen erneut zahlreiche weitere Förderprogramme, zentrale Steuerung und Projektfinanzierungen angekündigt werden. Stattdessen sollte die neue Bundesregierung die Kommunen befähigen, ihre Aufgaben und Herausforderungen aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln zu bewältigen.“
Die Landkreise seien dazu bereit, ihren Anteil an der Bewältigung der großen Zukunftsaufgaben zu leisten, so Sager weiter. „Dafür müssen sie auch vom Bund als das respektiert, geschätzt und unterstützt werden, was sie sind: selbstbewusste, leistungsfähige und handlungsbereite Akteure, die die Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort kennen und entscheidend prägen. Deshalb brauchen wir nicht nur eine ordentliche Finanzausstattung durch die Länder, sondern erwarten daneben vom Bund eine höhere und gerechtere Verteilung der Umsatzsteuer nach Einwohnern, damit gerade ländliche Gebiete die jeweils notwendigen Anpassungen stemmen können. Dazu schweigt sich der Koalitionsvertrag leider aus, obwohl dies ein Schlüssel zur dauerhaften Stärkung der Landkreise und Gemeinden wäre.“
Dies vorausgeschickt enthalte der Vertrag allerdings mit der angekündigten Bündelung von Förderprogrammen, der Konzentration von Hilfen auf strukturschwache Gebiete und auf kommunale Infrastrukturen sowie der regelmäßigen Überprüfung der Auswirkungen auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse durchaus zu begrüßende Ansätze. „Ohne eine Stärkung der kommunalen Steuerausstattung fehlt allerdings eine grundlegende Maßnahme gerade mit Blick auf die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“, so Sager weiter.
Zufrieden zeigte sich der DLT-Präsident mit den Vorhaben zur Digitalisierung: „Hierin setzen wir große Hoffnungen. Es wird dabei entscheidend darauf ankommen, gemeinsam mit den Ländern zu strukturellen Fortschritten zu gelangen, etwa bei der Festlegung bestimmter Standards und Schnittstellen zu kommunalen Systemen.“
Ebenso sei die Verabredung positiv zu bewerten, große und besonders bedeutsame Infrastrukturmaßnahmen auch im Wege einer Legalplanung beschleunigt umzusetzen. „Vereinfachte Genehmigungsverfahren und Planungsbeschleunigung sind wichtig. Dabei sollte insbesondere auf Fristverkürzungen und die Straffung der Rechtsschutzmöglichkeiten gesetzt werden, denn anders könnte es mit der Beschleunigung schwer werden. Klageverfahren sollten außerdem auf die unmittelbar Betroffenen und in der Regel auf eine Instanz beschränkt werden.“ Entscheidend sei, dass sich die Verfahren nur massiv beschleunigen ließen, wenn das zugrunde liegende materielle Recht vereinfacht werde. Dazu schweige der Koalitionsvertrag völlig, so Sager.
Auch mit Blick auf die Erreichung der Klimaziele würden bei einer Reihe von Maßnahmen zu Recht die besonderen Belange der ländlichen Räume in den Blick genommen. Sager nannte beispielhaft den Bereich Mobilität und die Energieerzeugung. Positiv bewertete er ebenfalls die angestrebten Maßnahmen zum Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit mit Blick auf die CO2-Abgabe sowie für eine zukunftsfähige Automobilwirtschaft: „Die betroffenen Standorte liegen zum überwiegenden Teil im Kreisbereich und sichern dort Arbeitsplätze und Wohlstand. Wir begrüßen ausdrücklich das Ziel, hier Arbeitsplätze und Wertschöpfung zu erhalten.“
Generelles Manko des Koalitionsvertrages sei allerdings die nicht erkennbare politische Priorisierung der Vorhaben sowie fehlende Aussagen zum Finanztableau. „Das ist aber wichtig, wenn es um die Umsetzbarkeit der einzelnen Projekte geht. Denn die Mittel des Bundeshaushalts sind begrenzt. Dieses Koordinatensystem fehlt zum jetzigen Zeitpunkt noch.“
So würden im Sozialbereich kostenträchtige Vorhaben angekündigt, bei denen die Finanzierung geklärt und kommunale Mehrbelastungen wirksam ausgeschlossen werden müssten. „Das betrifft zum einen das Bürgergeld, das das Arbeitslosengeld II ablösen soll und zwei Jahre lang ohne Anrechnung von Vermögen jegliche Unterkunftskosten übernehmen soll. Wenn die Jobcenter jede noch so hohe Miete übernehmen, ist zu befürchten, dass es für untere Einkommensgruppen noch schwieriger wird, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Zum andern sehen wir die Kindergrundsicherung skeptisch, an der hat sich schon die Vorgängerregierung konzeptionell die Zähne ausgebissen.“ Die Grundsicherung von Kindern werde schon heute sichergestellt. „Wichtig ist es, Kinder nicht isoliert von ihren Eltern und ihrer Familie zu betrachten, in der sie leben.“ Zu begrüßen sei hingegen, dass die Belastungen für pflegebedürftige Menschen weiter reduziert werden sollen. „Dies greift drängende Zukunftsfragen auf und wird auch der kommunalen Hilfe zur Pflege zugutekommen“, so Sager abschließend.