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Der Deutsche Landkreistag fordert eine stärkere Priorisierung bei den Staatsausgaben. Nach der Sitzung des Präsidiums des kommunalen Spitzenverbandes im Landkreis Diepholz sagte Präsident Reinhard Sager: „Das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts hat dem Bund vor Augen geführt, dass er mehr darauf achten muss, wofür Steuermittel ausgegeben werden. Vor diesem Hintergrund sollte der Bund einem klaren Kompass folgen, anstatt kostenintensive Verabredungen des Koalitionsvertrages umzusetzen, die man nach heutigem Kenntnisstand nicht mehr oder anders angehen würde.“ Diese Debatte müsse strukturell geführt werden und sei tiefgreifender als das derzeitige Hü und Hott bei der Frage, woher für das laufende Jahr 17 Mrd. € aufgetrieben werden können. „Die beschworene Zeitenwende muss auch beinhalten, die Staatsaufgaben und öffentlichen Ausgaben neu zu sortieren.“

Er benannte als Beispiel die Schaffung einer eigenständigen Kindergrundsicherung, die einer kritischen Prüfung unterzogen werden müsse. „Würde man dieses Projekt mit den aktuellen Erkenntnissen zu Umsetzbarkeit, Kosten und Fallstricken noch einmal von Anfang an diskutieren, müsste man es auch ohne Nachhilfe aus Karlsruhe schnell verwerfen: kein Mehrwert für bedürftige Familien, zu teuer durch den Aufbau neuer Bürokratie und die Schaffung paralleler Behördenstrukturen. Am Ende werden viele Familien die Kindergrundsicherung sogar als Belastung empfinden, weil eine ohnehin bisweilen umständliche Verwaltung noch undurchsichtiger wird.“

Auch das Deutschlandticket sei nicht zu Ende gedacht, obwohl die Landkreise und die anderen kommunalen Aufgabenträger von Anfang an die dauerhaft nicht belastbare Finanzierung kritisiert hätten. „Auch hier hat der Bund von verschiedener Seite vorgebrachte Vorbehalte in den Wind geschlagen. Nun droht Heulen und Zähneklappern, weil – wenig überraschend – 49 € im Monat nicht ausreichen, um einen bedarfsgerechten Nahverkehr zu bezahlen, und Bund und Länder das Ticket offenbar nicht ausfinanzieren wollen oder können.“

Eigentlich müsse der ÖPNV modernisiert und ausgebaut werden, allerdings streiche der Bund parallel auch noch die Regionalisierungsmittel für die Länder um 350 Mio. €, obwohl diese bereits zugesagt gewesen seien. „Diese Sprunghaftigkeit der Bundespolitik ist ein Graus für die Verkehrsträger vor Ort und den Menschen ebenso wenig vermittelbar. In gewisser Weise ist das auch eine Verkehrswende, allerdings in die falsche Richtung mit Investitionsstau und Rückbau von Angeboten und Netzen.“

Es bedarf laut Sager einer ehrlichen Bestandsaufnahme, was sich der Staat leisten könne und was nicht. „Dabei sollte vom Status quo ausgegangen werden, also von den Dingen, die derzeit verpflichtend finanzieren werden müssen. Dazu gehört es, Bund, Ländern und Kommunen diejenigen Steueranteile zuzuteilen, die sie für die Erledigung ihrer jeweiligen Aufgaben benötigen. Erst dann können weitere Vorhaben angegangen werden. Das ist eine Binsenweisheit – und doch erscheint es notwendig, dies in Erinnerung zu rufen. Schuldenberge treffen schließlich vor allem unsere Kinder und Enkel. Dabei verfügt der Staat über sprudelnde Steuereinnahmen.“

Aus Sicht der Landkreise bedeute das, kommunale Strukturen mit dem Nötigen auszustatten. „Die Finanzsituation vor Ort wird immer schwieriger. Wir haben auf absehbare Zeit keinen Spielraum für neue Aufgaben und haben immer mehr Probleme, die vielen bestehenden Aufgaben zu finanzieren und zu administrieren. Uns geht es deshalb seit vielen Jahren um eine aufgabenangemessene Finanzausstattung, aus der auch Investitionen eigenfinanziert werden können. Wir wollen wegkommen von den leidigen Anschubfinanzierungen über Förderprogramme, die die Kommunen dann nach ein paar Jahren mit einer begonnenen Aufgabe finanziell allein lassen.“

Die Kommunen trügen mehr als 25 % der Ausgaben des öffentlichen Gesamthaushalts, bekämen aber nur 14 % des Steueraufkommens. „Diese Schieflage muss deutlich korrigiert werden. Gerade in der aktuellen Situation zeigt sich erneut die fehlende Widerstandsfähigkeit der kommunalen Haushalte. Die Kommunen sind schon in Normalzeiten unterfinanziert und können sich nicht gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben wie z. B. die Kulturförderung, die Tourismusentwicklung oder die Wirtschaftsförderung immer weniger leisten. Wir fordern deshalb eine Aufstockung des kommunalen Umsatzsteueranteils. Dieses zusätzliche Geld sollte nach Einwohnern verteilt werden, um die kommunale Steuerbasis gerade auch in der Fläche zu stärken.“

Überall bestünden erhebliche Investitionsbedarfe, zum Beispiel bei den Schulen, den Straßen und im Nahverkehr, die durch die Energiewende noch verstärkt würden. „Außerdem beteiligt sich der Bund nach wie vor nicht hinreichend an der Flüchtlingsfinanzierung, obwohl er uns über die hohen Zuwanderungszahlen diese Aufgabe vor die Tür gelegt hat.“ Das seien die Aufgaben, die oben auf die Prioritätenliste gehörten. „Stattdessen leben wir einerseits immer mehr von der Substanz, tun aber andererseits so, als ob für jedwedes politische Projekt Geld da wäre. Man muss dem Bundesverfassungsgericht danken, dass es verbindlich geltendes Recht richtig ausgelegt und damit dafür gesorgt hat, dass sich der Bund endlich ernsthaft mit grundlegenden Finanzierungsfragen auseinandersetzen muss“, so Sager abschließend.

 

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